Symbolfoto

Manchmal passiert das Interessanteste nicht auf der Bühne, sondern drei Reihen weiter links.

Es gibt Abende, an denen man ein Konzert, eine Lesung oder eine Theateraufführung besucht – und nachher feststellt, dass man über das eigentliche Programm kaum etwas erzählen kann. Nicht, weil es schlecht gewesen wäre, sondern weil sich die entscheidenden Geschichten zwischen den Zeilen abgespielt haben.

Die Frau in der zweiten Reihe, die während einer dramatischen Arie unmerklich die Lippen mitbewegt. Das ältere Paar, das beim Vorlesen eines Gedichts dieselbe Stelle leise mitflüstert. Oder der Mann, der in der Pause das Programmheft so sorgfältig faltet, als sei es ein Brief, der später noch jemandem übergeben wird.

Solche Momente finden sich in keinem Pressetext und auf keiner Bühne. Sie gehören zum unsichtbaren Nebenprogramm einer jeden Kulturveranstaltung: den leisen Gesten, kleinen Blicken und flüchtigen Regieanweisungen des Publikums an sich selbst.

Als Journalist gerät man dabei schnell in einen Zwiespalt. Man ist gekommen, um über das Offizielle zu berichten – die Premiere, den Auftritt, das große Finale. Aber der Blick schweift ab, folgt einer Nebenszene im Zuschauerraum, und plötzlich spürt man: Hier steckt die eigentliche Geschichte.

Vielleicht sollte man öfter den Mut haben, den Bericht nicht nur nach dem Spielplan zu schreiben, sondern nach dem, was wirklich passiert. Denn Kultur lebt nicht nur von denen, die auf der Bühne stehen, sondern auch von denen, die im Dunkeln sitzen und ihre eigenen stillen Rollen spielen.

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