Spätsommer in den Kehler Rheinauen: Die Sonne verabschiedet sich allmählich mit ihren letzten warmen Strahlen, während ich entlang des Rheins schlendere. In der Luft liegt ein süßlicher Duft, der mich jedes Mal aufs Neue überrascht – der Duft des Springkrauts. Für mich gehört er einfach zu dieser Jahreszeit, auch wenn nicht jeder die gleiche Begeisterung für diese Pflanze teilt.

Das Drüsige Springkraut, wie es offiziell heißt, stammt ursprünglich aus dem Himalaya und hat sich hier in Europa recht erfolgreich verbreitet – so erfolgreich, dass es als „invasive Art“ gilt. Das bedeutet, dass die Pflanze sich in fremden Ökosystemen gern mal breitmacht und dabei die einheimische Flora verdrängt. Viele sehen darin eine Bedrohung für die Artenvielfalt und rücken der drüsigen Schönheit mit Hacke und Schaufel zu Leibe.

Doch während die Pflanze für viele ein unerwünschter Gast ist, kann ich ihrem Charme kaum widerstehen. Denn trotz ihres Rufs hat die Blüte mit ihren zartrosa bis tiefvioletten Farben auch ihre guten Seiten. Besonders die Bienen sind dankbar: Wenn andere Pflanzen längst den Rückzug angetreten haben, blüht das Springkraut noch fröhlich vor sich hin und bietet den Bestäubern eine willkommene Nektarquelle. Es summt und brummt also in den Rheinauen, während das Drüsige Springkraut noch einmal alles gibt.

Vielleicht liegt es an unserer menschlichen Neigung, alles und jeden in Schubladen zu stecken – willkommen oder unerwünscht, nützlich oder schädlich. Doch wer entscheidet eigentlich, was gut oder schlecht ist? Unser Umgang mit der Natur spiegelt oft wider, wie wir miteinander umgehen. Schließen wir jemanden aus, nur weil er anders ist oder nicht ins Schema passt? Manchmal frage ich mich, ob unser wissenschaftlicher Drang zur Kategorisierung auch unsere sozialen Muster beeinflusst.

Und übrigens: Ohne den ständigen Austausch und die Dynamik in der Natur hätte Evolution niemals stattgefunden. Neue Arten entstehen oft, weil das Unbekannte in bestehende Systeme eindringt und für frischen Wind sorgt. Wäre das nicht so, würden wir heute vielleicht noch als einfache Amöben in einer Ursuppe herumschwimmen. Es ist gerade die Vielfalt und der ständige Wandel, der das Leben so spannend macht. Warum also sollten wir der Natur verwehren, was uns selbst zu dem gemacht hat, was wir heute sind?

Während ich weiter durch die Rheinauen spaziere, frage ich mich, ob es nicht auch eine andere Sichtweise auf das Drüsige Springkraut gibt – und auf alles, was anders ist. Vielleicht sollten wir ab und zu innehalten und überlegen, ob wir nicht zu schnell urteilen. Denn auch eine Pflanze, die als invasiv gilt, kann Schönheit und Nutzen in sich tragen, wenn man nur genauer hinschaut. Und so setze ich meinen Weg fort, mit dem Duft der zartrosa Blüten in der Nase und dem Gedanken, dass die Natur – wie das Leben – manchmal Überraschungen bereithält, die es wert sind, entdeckt zu werden.

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