Kehl hat in den vergangenen Wochen etwas erschaffen, das man fast schon bewundern muss: einen Schilderwald, der nicht nur wächst – er wuchert. Tempo 30 überall, ergänzt durch blaue Fahrradsymbole, bis man sich fragt, ob hier jemand im Rathaus eine Art kommunale Kunstinstallation geplant hat. Die Idee dahinter ist vernünftig: Leiser, sicherer, menschlicher soll der Verkehr werden. Alles richtig. Aber seit der Umsetzung fühlt sich die Innenstadt ein bisschen an, als hätte jemand den Straßenrand im Abo bestellt.

Der beste Beweis steht direkt vor meinem Fenster: Ich schaue hinaus – und ohne mich zu bewegen, nicht einmal einen Zentimeter – sehe ich rechts ein blaues Fahrradstraßen-Schild, geradeaus ein frisch montiertes Tempo-30-Schild und leicht links noch ein weiteres blaues Piktogramm, das mir freundlich, aber bestimmt klarmacht, in welche Richtung die Welt sich in Kehl zu bewegen hat. Ein Panorama der pädagogischen Absicht. Ein Triptychon der Verkehrserziehung.

Kehler Schilderwald

Dabei gäbe es Alternativen. Große „30“ direkt auf dem Asphalt – schlicht, unübersehbar, aber nicht so aufdringlich. Weniger Holzhammer, mehr Hinweis. Aber Kehl vertraut dem Prinzip: Lieber ein Schild zu viel als eins zu wenig. Und dann gerne doppelt.

Wenn man an manchen Kreuzungen steht, weiß man nicht mehr, ob man gerade am Straßenverkehr teilnimmt oder in einem botanischen Lehrpfad über Verkehrszeichen steckt. Vier Schilder im Blickfeld sind da keine Ausnahme, sondern eher der neue Normalwert.

Aber vielleicht ist das genau die Botschaft: Kehl will uns bremsen. Nicht grob, nicht verärgert – sondern fürsorglich, fast zärtlich. Nur eben mit einer gewissen städtischen Deutlichkeit. Und so lernt man langsam: Das Leben in Kehl darf gerne etwas langsamer sein. Nur eines gewiss nicht: schilderarm.

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