Der Anstich klappt beim ersten Mal – was ja beim Kehler Messdi nicht selbstverständlich ist. Vier Fässer stehen bereit, gesponsert von einer bunt zusammengewürfelten Runde, bei der keiner so genau weiß, wer eigentlich bezahlt – aber alle mittrinken. Die Sonne lacht, das Bier schäumt, und die Stadtkapelle spielt auf. Spätestens bei „Hoch Badnerland“ weiß auch der Letzte: Es ist wieder Messdi.
Alte Lokalpolitiker mischen sich unters Volk, Kehler Geschäftsleute wirken plötzlich erstaunlich nahbar, und auf der Bühne der „Trinkmänner“ wird am Abend der Bär steppen. Es ist außerdem Vatertag – was dem Ganzen eine ganz eigene Note verleiht: Manche sind mit den Kumpels unterwegs, mit Frühschoppen-Ambitionen, andere haben die komplette Familie am Hals – je nachdem, was man sich im Leben eben verdient hat.
Zwischen Bierbank und Erinnerungsschleife
Der Messdi ist kein bloßes Fest, er ist eine Rückblende in Echtzeit. Ein kollektives Déjà-vu im Dialektmodus. Wer’s nicht kennt, staunt. Wer’s kennt, seufzt. Und wer mittendrin steht, fragt sich spätestens nach dem zweiten Pils, warum er diesen Fränkle schon wieder sieht – lebt der eigentlich immer noch? Ja. Und er trägt noch immer seine Fischerkappe.
Natürlich ist der Messdi auch ein Ort der Erinnerung. Für viele die erste Liebe, für andere das erste Koma. Und manche denken vielleicht wehmütig ans „Fröschle“, das man nie mehr vergaß.
Dann gibt es diese Sekunden, wenn man alte Freunde trifft – also wirklich alte Freunde, nicht bloß WhatsApp-Leichen. Und plötzlich weiß man, wie schnell das Leben vergeht. Man sieht ihnen ins Gesicht, hört sich reden, greift an die eigene Stirn – und fühlt sich schlagartig um zehn Jahre älter.
Blasmusik, Harissa und ein Hauch von Wehmut
Musikalisch bleibt alles beim Alten – live, laut und mit vollem Atem. Wer hier nicht mitwippt, hat entweder kein Herz oder ein Hörgerät mit Filter.
Kulinarisch wie immer ein Muss: „Agua de Valencia“ (süß wie der Anfang einer Sommerliebe, böse wie deren Ende) und Merguez im Baguette mit einem Hauch Harissa – eine Kombination, die mehr Hitze als Harmonie verspricht. Zwar landet regelmäßig die Hälfte auf dem Boden, aber das gehört dazu. Kehler Pflaster hat schon Schlimmeres gesehen.
Natürlich hat sich etwas verändert. Kein Hanauer-Zelt mehr, dafür mehr Gin Tonic. Die Kinder tragen AirPods, die Alten tragen Erinnerungen. Und trotzdem schwebt über allem dieser süße, klebrige Messdi-Geist.
Und wenn man spätabends feuchtfröhlich nach Hause torkelt, mit einer Mischung aus Wehmut, Wurstfett und Blasmusik-Echo im Ohr, dann denkt man: Messdi, du bist wie der Kehler Dialekt – etwas eigen, manchmal zu laut, aber wenn du nicht mehr da wärst, würde einem etwas fehlen.