Man steht da, mitten im September, auf einer Auenwiese und reibt sich die Augen: Krokusse! Schon wieder Frühling? Hat der Kalender einen Knick? Nein – das vermeintliche Frühlingsgrüßen im Gras sind Herbstzeitlose: hübsch, zartviolett und von gefährlicher Schönheit.

Es ist eine dieser botanischen Fallen, in die Spaziergänger regelmäßig tappen – auch ich. Während der Krokus brav im März seine Farben streut, hält sich die Herbstzeitlose an ihren eigenen Rhythmus. Sie wartet, bis die Sommerhitze verklungen ist, und schiebt dann, ganz ohne Blätter, ihre Blüten ins Gras der Auenwiesen. Ein floraler Alleingang: Blume ohne Grün, Blüte ohne Blatt.

Romantisch ist das ja. Doch während man noch staunt, dass da einfach so eine Blüte mitten im Gras auftaucht – schön, überraschend, fast poetisch –, übersieht man leicht, dass sie alles andere als harmlos ist. Das zarte Violett täuscht. Ein Bissen davon, und es wäre womöglich der letzte Spaziergang – und darauf möchte ich ehrlich gesagt nicht verzichten.

Man könnte meinen, die Natur erlaubt sich hier einen Scherz: Sie steckt Schönheit und Gift ins gleiche Kleid. Die Herbstzeitlose, stille Diva des Spätsommers, kommt, wenn die anderen schon aufgegeben haben – und erinnert uns daran, dass nicht alles, was nach Frühling aussieht, auch unschuldig ist.

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