Es ist ein lauwarmer Abend, Hauptstraße, Kehl, irgendwo zwischen Dönerduft und dem gequälten Surren eines elektrischen City-Bikes. Ich spaziere langsam vor mich hin, halb gedankenverloren, als mich ein Gefühl zwischen leichter Panik und bitterer Belustigung überkommt. Ich hebe ganz instinktiv den Blick – ein Fehler, wie sich zeigt. Denn: Kein einziger Mensch um mich herum tut es mir gleich. Alle, wirklich alle, blicken hinab. Nicht andächtig. Nicht demütig. Nein – hypnotisiert.

In ihren Händen: das zeitgenössische Gottesbild, das leuchtende Orakel, der digitale Rosenkranz. Das Smartphone. Man nennt sie ja gern die „Handy-Generation“. Dabei klingt das so, als wären sie damit geboren worden – mit Ladebuchse statt Nabelschnur. Tatsächlich aber halten sie es wie einen zerbrechlichen Pokal zwischen Angst und Sehnsucht, zwischen Like und Panikattacke.

Die Vorlieben? Katzenvideos, Kaffeefotos und Kalendersprüche mit pseudotiefer Lebensweisheit: „Wenn du fällst, steh wieder auf.“ (Wahlweise mit Sonnenuntergang oder Latte-Art-Herzchen im Hintergrund.)

Die Laster? Die permanente Angst, etwas zu verpassen – FOMO (Fear of Missing Out), wie der moderne Homo sapiens murmelt, während er das achte Mal innerhalb von zwei Minuten Instagram aktualisiert. Gespräche mit echten Menschen? Werden abgelehnt wie Software-Updates: Später erinnern.

Und die Sorgen? Oh, die Sorgen! Akku unter 20 % – Nervenzusammenbruch. Kein WLAN – existenzielle Krise. Blaue Haken, aber keine Antwort – Trennung auf Raten.

Ich stehe also da, unbehelligt, mein Handy in der Jackentasche (unglaublich, ich weiß), und sehe, wie die Stadt zur Kathedrale wird: die Köpfe geneigt, die Hände gefaltet ums Display, der Blick gesenkt ins Nirwana der Pixel. Andacht der anderen Art.

Nur einer hebt kurz den Blick. Wir sehen uns an. Ich nicke.
Er tippt weiter. Wahrscheinlich: „Der Typ da schaut komisch.“

Obwohl … ich bekenne mich schuldig. Denn ich sündige auch.
Kaum bin ich zu Hause, greife ich zum Handy.
Screenshot.
Notiz.
Gedanke: Das muss ich festhalten.
Ein schöner Abend – irgendwie.

Amen.

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