Mit einer Seele, die sich nach Klarheit sehnt, begebe ich mich eines frühen Morgens auf den täglichen Spaziergang mit meinem treuen Hund durch die Rheinauen bei Marlen. Ein leichter Sommerdunst liegt noch auf dem Land. In diesen Auen, wo die Natur stillschweigend ihre Geschichten flüstert, finde ich eine seltsame Ruhe, die zugleich bedrückend und befreiend wirkt.

Pepe, ein Golden Retriever und eingefleischter Wasserhund, trabt neben mir her, seine ungetrübte Begeisterung ein leuchtendes Gegenstück zu meinen gedanklichen Abgründen. In seiner Gesellschaft finde ich einen Trost, der mir sonst in den verworrenen Gassen des Alltags oft versagt bleibt. Er schnüffelt neugierig an allem, als würde er die verborgenen Geheimnisse des Lebens ergründen wollen, Geheimnisse, die mir so oft Rätsel aufgeben.

Die Rheinauen zeigen sich in voller sommerlicher Pracht. Hohe Gräser wiegen sich sanft im Wind, und Wildblumen in leuchtenden Farben – Mohn, Kornblumen und Margeriten – säumen die Pfade. Die Bäume tragen dieses Jahr reichlich Obst, und Pepe kann seine Begeisterung kaum zügeln. Neben seiner Vorliebe fürs Schwimmen hat er noch eine andere Leidenschaft: Fallobst. Besonders Äpfel, die bereits etwas braungefleckt sind, haben es ihm angetan.

Während wir den schmalen Pfaden folgen, umgeben von rauschenden Baumkronen und stillen Gewässern, überkommt mich ein Hauch Melancholie. Es ist, als ob die Natur selbst die tiefen Fragen des Daseins stellt: Was bedeutet es, wirklich zu leben? Ist das Streben nach Glück nur eine Illusion, ein vergebliches Unterfangen in einer Welt voller Leiden und Ungerechtigkeit? Und: Warum wird die Welt eigentlich von hirnverbrannten Idioten und alten Männern regiert?

Doch inmitten dieser Gedanken blitzt immer wieder ein Funken Hoffnung auf, genährt von der unschuldigen Freude meines Hundes, die so rein und unverdorben scheint. Vielleicht, so denke ich, liegt die Antwort in den einfachen Dingen, in der bedingungslosen Liebe eines Tieres, in der stillen Schönheit eines nebligen Morgens in den Rheinauen. Vielleicht ist das Leben, trotz all seiner Komplexität und seines Schmerzes, doch ein Geschenk, das es zu schätzen gilt.

Am Uferrand des Mühlbachs entdecke ich eine grau-glänzende Blindschleiche, die elegant durchs Gras gleitet und im Schilf verschwindet. Ein verirrtes Entenpaar zieht ruhig über das Wasser, als hätten sie alle Zeit der Welt. Die Luft ist erfüllt vom Duft von Gras und reifem Obst. Ich nehme einen tiefen Atemzug und versuche, mir einzureden, dass ich die Natur genieße, obwohl ich insgeheim daran denke, dass ich mir vielleicht eine Pollenallergie eingefangen habe.

Dieses Jahr jedoch ist die Idylle an manchen Wasserstellen etwas getrübt. Ein erbitterter Kampf mit den Rheinschnaken entfaltet sich jedes Mal, wenn wir uns den feuchten Gebieten nähern. Diese winzigen Plagegeister haben es auf mich abgesehen, und es scheint, als hätten sie eine persönliche Vendetta gegen mich. Während Pepe fröhlich im Wasser planscht und faulige Äpfel sammelt, kämpfe ich einen verzweifelten Kampf mit den kleinen Blutsaugern, die offenbar beschlossen haben, dass ich ihr Frühstück bin.

Nach einer ausgiebigen Schwimmrunde kommt Pepe zurück ans Ufer, schüttelt sich das Wasser aus dem Fell, legt sich auf den Rücken und sieht mich mit leuchtenden Augen an. Ich nehme das als Zustimmung, dass ich ein großartiger Hundebesitzer bin, obwohl ich weiß, dass er mich eigentlich nur ansieht, weil ich etwas Unbestimmtes in der Hand halte. Wir setzen unseren Weg fort, begleitet vom Summen der Bienen und dem Singen der Vögel.

Nach etwa einer Stunde und rund vier Kilometern machen wir uns langsam auf den Rückweg. Der Himmel fängt an, sich leicht zu bedecken, es ist drückend – die blutrünstigen Rheinschnaken feiern Party.

Der Spaziergang durch die blühenden Rheinauen hat uns beiden gutgetan. Pepe ist zufrieden, und auch ich fühle mich erfrischt und gestärkt. Oder zumindest weniger gestresst als vorher. Manchmal sind ein bisschen frische Luft, ein planschender Hund und ein paar braungefleckte Äpfel alles, was man braucht, um die Welt etwas weniger chaotisch erscheinen zu lassen.

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