Symbolfoto
Manchmal liegt der wertvollste Satz nicht im Artikel, sondern ganz unten auf der letzten Seite des Notizblocks – krumm hingeschrieben, halb vergessen und doch der Schlüssel zur Geschichte.
Es gibt Reporterblocks, die sind voll mit präzisen Zitaten, Uhrzeiten und Namen. Und dann gibt es die letzte Seite. Dort steht oft etwas, das im Moment des Schreibens nebensächlich wirkte – ein Satz, ein Blick, eine Beobachtung, die sich zwischen Tür und Angel ereignet hat.
In meinen Anfangsjahren als freier Journalist war dieser letzte Notizblock-Satz fast immer ein Schatz. Er kam meist nach dem eigentlichen Gespräch, wenn der Interviewpartner schon aufgestanden war, der Block fast zugeklappt. Dann, in diesem Moment ohne Mikrofon und Kamera, fielen die ehrlichsten Worte.
Heute, in Zeiten von Sprachnotizen und automatischen Transkriptionen, droht diese Kunstform zu verschwinden. Die letzten Sätze gehen unter in stundenlangen Audiofiles. Aber wer hinhört – wirklich hinhört – und sich traut, den Stift noch einmal anzusetzen, fängt manchmal genau das ein, was den Text später lebendig macht.
Darum hüte ich diese letzten Notizen. Manchmal finde ich sie Monate später wieder, eingerollt am Rand einer Seite. Und dann weiß ich wieder: Die besten Geschichten passieren oft kurz nachdem man glaubt, sie schon im Kasten zu haben.