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Schreiben ist leicht. Streichen ist schwer. Es klingt paradox, aber die eigentliche Arbeit am Text beginnt, wenn er schon fertig ist. 4.000 Zeichen fließen leicht von der Hand, aber plötzlich sagt die Redaktion: Bitte auf 1.800 kürzen.
Dann beginnt das Ringen. Jeder Satz ist einem ans Herz gewachsen, jede Formulierung sorgfältig gesetzt. Man liest und denkt: Das kann ich doch nicht streichen. Und genau das ist der Moment, in dem man muss.
Kürzen ist keine mathematische Operation, bei der man einfach Zeichen entfernt. Es ist ein chirurgischer Eingriff am lebenden Text. Man schneidet, ohne dass der Rhythmus bricht. Man entfernt Passagen, ohne dass der Sinn erodiert. Und manchmal – das ist das eigentlich Schöne – wird der Text dadurch besser. Straffer. Klarer.
Natürlich gibt es Ärger. Mit sich selbst, weil man zu lange um Nebensätze gekämpft hat. Mit der Uhr, weil der Abgabetermin näher rückt. Mit dem Gefühl, dass jede gestrichene Zeile ein kleiner Verrat ist.
Aber: Weglassen heißt nicht verlieren. Es heißt, den Kern freilegen. Wer kürzt, zwingt den Text, sich zu entscheiden, worum es ihm wirklich geht. Alles andere ist Schmuck. Und Schmuck ist nur so lange schön, bis er den Blick auf das Wesentliche verdeckt.
Am Ende liest man die 1.800 Zeichen, atmet tief durch – und merkt: Die Seele ist noch da. Manchmal sogar deutlicher als zuvor.