Symbolfoto
Manchmal ist Schweigen die beste Arbeitsmethode. Wer nicht auffällt, sieht und hört mehr – und schreibt danach umso präziser.
In einer Zeit, in der Lautstärke oft als Qualität missverstanden wird, ist es fast eine vergessene Tugend: still zu sein. Für einen Journalisten kann genau das zur wichtigsten Technik werden.
Der stille Beobachter sitzt nicht in der ersten Reihe, er steht nicht im Scheinwerferlicht. Er lehnt an der Wand, am Rand der Menge, macht sich unsichtbar – und genau deshalb sieht er, was anderen entgeht. Kleine Gesten, ein flüchtiger Blick, das kurze Zögern vor einer Antwort.
In meinen frühen Jahren habe ich geglaubt, man müsse möglichst viele Fragen stellen, um die Wahrheit zu erfahren. Heute weiß ich: Die Wahrheit zeigt sich oft, wenn man die Fragen zurückhält. Sie schleicht sich in Nebensätzen ein oder versteckt sich in einem Lächeln.
Das stille Beobachten ist kein passives Warten. Es ist aktives Registrieren. Augen und Ohren sind wach, der innere Notizblock immer offen. Manchmal reicht ein halber Satz oder die Art, wie jemand die Kaffeetasse abstellt, um den Kern einer Geschichte zu verstehen.
Wer schweigt, gibt seinem Gegenüber Raum – und manchmal füllt dieser Raum sich von selbst mit den besten Zitaten. Die Herausforderung besteht darin, nicht vorschnell einzugreifen, sondern den Moment atmen zu lassen.