Jedes Frühjahr, wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen unseren Garten erhellen, präsentiert sich unser Kirschbaum in voller Blütenpracht – ein wahrhaft atemberaubender Anblick. Für einen kurzen Moment vergesse ich die kommende Schlacht. Die zarten weißen Blüten tanzen im Wind, wie eine Million kleine Brautjungfern, die den Garten in ein Märchenland verwandeln. Die Nachbarn staunen, Spaziergänger bleiben stehen und selbst die Bienen summen vor Begeisterung. Doch die Idylle währt nur kurz.
Denn kaum sind die romantischen Blütenblätter verblüht und die reifen Früchte ausgiebig gekostet, beginnt etwa Mitte Juni der alljährliche Albtraum: die Kirschen. Oh, die Kirschen! Hunderte, nein, tausende von ihnen, die sich in Windeseile in klebrige kleine Bomben verwandeln, bereit, sich bei der geringsten Berührung auf den Rasen zu stürzen. Es ist, als hätten sie eine geheime Absprache getroffen: „Lasst uns den Rasen mit unserer matschigen Pracht überziehen und diesen unglückseligen Gärtner zur Verzweiflung treiben.“
Also stehe ich da, bewaffnet mit einem Rechen und einem Eimer, und beginne meine jährliche Pilgerreise über den Rasen. Jede Kirsche, die ich aufhebe, scheint mir ins Gesicht zu lachen. Meine Nachbarn blicken verstohlen über den Zaun und beobachten dieses Spektakel wohl mit einer Mischung aus Mitleid und Verwunderung.
Trotz alledem, und ich muss es zugeben, habe ich eine gewisse Liebe für diesen Baum entwickelt. Er hat uns so viele Jahre begleitet, uns Schatten gespendet und die Vögel zum Singen gebracht – und sie reichlich gefüttert. Ja, es ist eine Hassliebe, aber wenn ich ehrlich bin, ein wenig mehr Liebe. Er ist ein stummer Zeuge unserer Familiengeschichte, gewachsen und gereift mit uns. In jener Vollmondnacht des Jahres 2002, als wir ihn pflanzten, ahnte niemand, welche Herausforderungen und Freuden er uns bescheren würde. Sein Schatten spendet an heißen Sommertagen kühlen Trost, und sein Anblick im Frühling ist ein jährliches Geschenk, das ich nicht missen möchte.
Vielleicht ist es gerade diese Mischung aus Ärger und Bewunderung, die unsere Beziehung so besonders macht: mein Kirschbaum und ich, eine unzertrennliche Einheit aus Leidenschaft und Kampf, Jahr für Jahr, Blüte für Blüte, Kirsche für Kirsche.
Ach ja, und nicht zu vergessen: unser Hund Pepe. Während ich mich über die Kirschen ärgere, ist die Kirschsaison für Pepe die schönste Zeit des Jahres. Für ihn sind die herabgefallenen Früchte ein wahres Festmahl. Kirschen satt – für Pepe gibt es keinen größeren Genuss! Doch die Konsequenzen dieses Genusses lassen nicht lange auf sich warten – aber das ist eine andere Geschichte.